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Insekten als Upcycling-Profis: Forschungsprojekt im Bereich nachhaltiger Bioökonomie

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Foto: Alpha Protein

Ministerium für Ländlichen Raum und Verbraucherschutz fördert Hochschulkooperation

 

Ein „ordentliches Stück Fleisch auf dem Teller“ gehört heute für viele zur Normalität: In Europa werden etwa 65 kg Fleisch pro Einwohner und Jahr konsumiert, mehr als doppelt so viel wie im weltweiten Durchschnitt. Die Konsequenz daraus sind oftmals negative Effekte wie Massentierhaltung, fragwürdige Arbeitsbedingungen oder Umweltbelastung in Form von Überdüngung, nicht nachhaltige Landnutzung oder vermeidbare Klimagas-Emissionen. Eine weiterwachsende Weltbevölkerung kann so nicht nachhaltig mit Eiweiß versorgt werden. Das Ministerium für Ländlichen Raum und Verbraucherschutz Baden-Württemberg will Missständen wie diesen begegnen: Ein neues Förderprogramm soll innovative bioökonomische Forschungsansätze für ein biobasiertes, kreislauforientiertes Wirtschaften in die Praxis bringen. Aus den von einer Fachjury 20 ausgewählten Projekten sind insgesamt 16 Universitäten, Hochschulen und Forschungseinrichtungen aus Baden-Württemberg beteiligt – darunter auch die Hochschule Pforzheim. In Kooperation mit dem Start-up-Unternehmen Alpha-Protein GmbH aus Bruchsal arbeiten die Professoren Jörg Woidasky und Kai Oßwald von der Fakultät für Technik daran, mit Mehlwürmern eine alternative und vor allem nachhaltige Eiweißquelle zu erschließen: Mehlwürmer sollen zukünftig anstelle der heute verwendeten Futtermittel Soja oder Fischmehl zur Fütterung der Nutztiere wie Rinder, Schweine oder Hühner verwendet werden.

„Die Larven des Mehlkäfers leisten so direkt einen Beitrag zu einer nachhaltigen und umweltfreundlichen Ernährung, denn sie weisen nur etwa 5 % der Umweltauswirkungen der tierischen Proteinherstellung auf“, so Jörg Woidasky, Experte für nachhaltige Produktentwicklung. Alpha-Protein-Gründer Gia Tien Ngo verfolgt gemeinsam mit seinen Partnern Rohi Shalati und Elena Werner sowie insgesamt 16 Mitarbeitern das Ziel, „globale Probleme in Angriff zu nehmen und zu einer nachhaltigen Eiweißversorgung der weltweiten Bevölkerung beizutragen“, so der Jungunternehmer.

Mehlwürmer können mit Nebenprodukten der Lebensmittelindustrie ernährt werden, die sie dann zu hochwertigem Eiweiß „upcyceln“. „Solche Reststoffe gibt es mehr als genug, denn in der Europäischen Union fallen jedes Jahr etwa 88 Millionen Tonnen nicht verwerteter Lebensmittel an, davon etwa 1,5 Millionen Tonnen allein in Baden-Württemberg“, so Jörg Woidasky. Durch die Verwertung solcher Nebenprodukte der Lebensmittelindustrie für Insektenproteine würden nicht nur Ausschüsse verwertet, sondern auch die weltweiten Fischbestände geschont, da etwa ein Drittel des weltweiten Fischfangs unmittelbar zu Fischmehl und damit zu Tierfutter verarbeitet werden, so der Professor im Fachbereich Wirtschaftsingenieurwesen der Fakultät für Technik.

Die Entwicklungen der Hochschule gemeinsam mit Alpha-Protein umfassen die Auswahl und Charakterisierung von für Mehlwürmer geeigneten Nebenprodukten der Lebensmittelindustrie zur Erzeugung von Futtermittel, die gezielte Entwicklung der Insekten vom Puppenstadium bis hin zum geschlechtsreifen Tier sowie die Vorbereitung der Automatisierung des Vermehrungsprozesses.

„An der Hochschule Pforzheim können wir mit unseren technischen Einrichtungen, der Expertise und unseren motivierten Studierenden dabei unterstützen, eine nachhaltige Futtermittelerzeugung durch Mehlwurm-Proteine voranzubringen“, sind Jörg Woidasky und Kai Oßwald, Experte für Fertigungstechnik, überzeugt. Eine erste Studierendengruppe der Bachelorstudiengänge „Wirtschaftsingenieurwesen“ und „BW / Ressourceneffizienzmanagement“ bearbeitete bereits im laufenden Wintersemester einen Ansatz für den Einsatz verpackter Nebenprodukte der Lebensmittelindustrie aus dem Einzelhandel mit dem Verfahren. „So können wir eine Antwort auf die wichtige Frage geben, wie im 21. Jahrhundert weltweit Menschen gesund und nachhaltig ernährt werden können.“