Biokompatibilität von Medizinprodukten
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Die Afterwork-Veranstaltung „Industrie trifft Hochschule“ fand am 5. Juni 2025 zum ersten Mal im XXL-Format statt und bot eine Plattform für den wissenschaftlichen und industriellen Austausch zwischen Studierenden, Unternehmen und Forschungseinrichtungen. Die von der WSP Pforzheim, der Hochschule Pforzheim und dem Center for Market Access and Regulatory Affairs organisierte Veranstaltung ist Teil der etablierten Veranstaltungsreihe „Industrie trifft Hochschule“. Diese dient als Plattform, um innovative Ideen zu diskutieren, Kooperationen anzubahnen und Studierenden wertvolle Einblicke in aktuelle Themen der Industrie zu vermitteln.
Prof. Dr. Volker Biehl, Experte für Qualitäts- und Risikomanagement in der Medizintechnik sowie Leiter des Center for Market Access and Regulatory Affairs an der Hochschule Pforzheim, hieß die zahlreichen Gäste der ausgebuchten Veranstaltung willkommen. Er betonte, dass Expertinnen und Experten heute insbesondere strategische und kommunikative Fähigkeiten sowie exzellentes Wissen über rechtliche Zusammenhänge mitbringen müssen. Grund hierfür ist die ständig wachsende Zahl von Ländern rund um den Globus mit divergierenden regulatorischen Vorschriften für den Marktzugang von Medizinprodukten und angrenzender Rechtsbereiche.
Den Auftakt des Programms machte Arjan J. H. Stok, Geschäftsführer der STOQ Managementservice. In seinem Vortrag zum Thema „Biokompatibilität als Bindeglied zwischen klinischer Bewertung, Risikomanagement und Konformitätsbewertung“ zeigte er, wie wichtig es ist, insbesondere den Zeitplan für die Neuzertifizierung im Auge zu behalten.
Die Biokompatibilität ist ein zentrales Element, das diese drei Bereiche miteinander verbindet. Eine sorgfältige Analyse der Biokompatibilität ist entscheidend, um die Sicherheit und Wirksamkeit von Produkten zu gewährleisten und die regulatorischen Anforderungen zu erfüllen. Unternehmen der Medizintechnik sollten daher sicherstellen, dass sie die Biokompatibilität ihrer Produkte umfassend bewerten und dokumentieren, um den Herausforderungen des Marktes erfolgreich zu begegnen und das Vertrauen von Patienten und Fachleuten zu gewinnen. Der rote Faden, der durch den Bewertungsprozess der Biokompatibilität führt, ist dabei die Normenreihe DIN EN ISO 10993.

In seinem Vortrag „Untersuchungen zum Einfluss eines 3D-Druckverfahrens auf die Biokompatibilität von Metallteilen“ präsentierte Prof. Dr. Tobias Preckel die Ergebnisse einer aktuellen Studie zur Auswirkung eines neuartigen Herstellungsverfahrens auf die Biokompatibilität des austenitischen Chrom-Nickel-Molybdän-Stahls AISI 316L.
Der Einsatz von 3D-Drucktechnologien in der Medizintechnik hat in den vergangenen Jahren deutlich an Bedeutung gewonnen – insbesondere bei der Fertigung von Implantaten, Prothesen und chirurgischen Instrumenten aus Metall. Dabei spielt das gewählte Druckverfahren eine entscheidende Rolle: Es kann die Biokompatibilität der gefertigten Bauteile maßgeblich beeinflussen.
Im Fokus der Untersuchung stand das additive Fertigungsverfahren Lithography-based Metal Manufacturing (LMM). Die Studie zeigt, dass verschiedene Faktoren – insbesondere die Oberflächenbeschaffenheit – die biologische Verträglichkeit von 3D-gedruckten Metallteilen beeinflussen. So können etwa Rauheit und chemische Zusammensetzung der Oberfläche das Zellverhalten, die Adhäsion und das Einwachsen in das umliegende Gewebe wesentlich beeinflussen. Eine glattere Oberfläche wirkt sich in der Regel positiv auf die Biokompatibilität aus.
Die Ergebnisse der Studie belegen: Das LMM-Verfahren eignet sich grundsätzlich für die Herstellung medizinischer Produkte und bietet vielversprechende Perspektiven für den Einsatz in der personalisierten Medizintechnik.

Während sich die klassischen Prüfverfahren mit der biologischen Wirkung eines Medizinproduktes befassen, untersucht die ÖHMI Pharma- und Umweltlabor GmbH, welche Stoffe diese Wirkung verursachen und in welcher Konzentration. Um potenziell schädliche Substanzen nachweisen zu können, sind hochsensible und spezifische analytische Verfahren notwendig. In ihrem Vortrag „Biokompatibilitätsprüfungen in der erweiterten Anwendung und ihre analytischen Herausforderungen“ stellte Geschäftsführerin Dr. Anke Sies an praxisnahen Beispielen verschiedene geeignete analytische Testverfahren vor. Die Sicherheitsuntersuchungen werden dabei im Rahmen der Guten Laborpraxis (GLP) durchgeführt, die in vielen Ländern vorgeschrieben ist. GLP legt den organisatorischen Ablauf und die Bedingungen fest, unter denen Laborprüfungen geplant, durchgeführt und überwacht werden. Daneben beschäftigt sie sich auch mit der Aufzeichnung und Berichterstattung der Prüfung.

Die aktuellen Herausforderungen bei der Biokompatibilitätsbewertung spiegeln die rasante Entwicklung in der Medizintechnik wider. Mit diesem Fortschritt und den sich ständig weiterentwickelnden Anforderungen ergeben sich jedoch auch neue Herausforderungen. Einen Einblick in mögliche Lösungsansätze gibt Dr. Tanja Throm von der Richard Wolf GmbH in ihrem Beitrag „Aktuelle Herausforderungen bei der Biokompatibilitätsbewertung“. Die Einflussfaktoren auf die Biokompatibilität sind vielfältig und reichen von komplexen Materialkombinationen und Verunreinigungen durch Schmier- und/oder Klebstoffe sowie Verpackungsmaterialien über Prozesskonditionen bis hin zum Alterungsprozess des Produkts. Vorgestellt wurde der biologische Bewertungsplan (BEP). Dieser besteht aus einem geplanten und strukturierten Dokument im Rahmen eines Risikomanagementprozesses und bewertet die biologischen Risiken für Patienten, bei denen ein Gerät eingesetzt werden soll. Das BEP-Dokument folgt den Regeln des Risikomanagementprozesses, das heißt Risikoanalyse, Risikobewertung, Risikokontrolle und Neubewertung der Risiken nach Änderungen.

Kennzeichnend für das neue XXL-Format der Veranstaltung ist neben den längeren und tiefergehenden Vorträgen die Möglichkeit die Labore der Hochschule kennenzulernen. Prof. Dr. Tobias Preckel stellte den interessierten Teilnehmern der Veranstaltung das Analytiklabor und dabei insbesondere die Möglichkeiten für Zellkulturuntersuchungen vor. Der Laborleiter des Centers for Market Access and Regulatory Affairs Max Barchet gab einen Einblick in das Labor für elektrische Sicherheit von Medizinprodukten.
Die Veranstaltung „Industrie trifft Hochschule“ war ein voller Erfolg und hat einmal mehr gezeigt, wie wichtig der Austausch zwischen Wissenschaft und Industrie ist. Die Veranstaltung bot wertvolle Informationen und Einblicke und ermöglichte es den Studierenden, Netzwerke zu knüpfen, die für ihre berufliche Zukunft von großer Bedeutung sind.
Die Hochschule Pforzheim plant bereits die nächste Veranstaltung dieser Art und freut sich darauf, noch mehr Unternehmen und Studierende zusammenzubringen. In einer Zeit, in der die Anforderungen an Fachkräfte stetig steigen, ist der Dialog zwischen Industrie und Hochschule unerlässlich, um die nächste Generation von Innovatoren und Führungskräften optimal auf die Herausforderungen der Zukunft vorzubereiten.
„KI-Sweetspot für Unternehmen: Erfolgreiche Auswahl und Beispiele“, am 16. Oktober 2025
