Forschung: Innovation in globalen Wertschöpfungsketten
News
Internationales Forschungsprojekt erfolgreich beendet
Sind manche Länder im internationalen Vergleich tatsächlich innovativer als andere? Und falls ja, woran liegt das? Oder falls nein, warum nehmen wir dies vielleicht fälschlicherweise so wahr? Am Beispiel der Fragestellung „Wie innovativ ist die globale IT-Industrie?“ ging Professorin Dr. Jasmin Mahadevan von der Fakultät für Technik der Hochschule Pforzheim diesen Fragen in den vergangenen fünf Jahren auf den – wissenschaftlichen – Grund. Nun wurde das Forschungsprojekt „Masking, claiming and preventing innovation in cross-border B2B relationships: Neo-colonial frameworks of power in the global IT industry“, das auch von der indischen Regierung gefördert wurde, erfolgreich beendet. Seit 2017 stand Jasmin Mahadevan in diesem Rahmen mit ihren internationalen Kollegen Professor Ashish Malik (University of Newcastle, Australien), Professor Piyush Sharmac (School of Management and Marketing at Curtin University in Perth, Australia) und Dr. Tuyet Mai Nguyen (Thuongmai University, Vietnam) im Austausch.
Auf Grundlage gemeinsam erhobener Daten, darunter über 110 Interviews mit Schlüsselpersonen der globalen IT-Industrie, vor allem in den USA und Indien, hat das Projektteam eine Handlungsempfehlung für Unternehmen abgeleitet: „Wir haben aufgedeckt, wie und wo im Unternehmen Innovation eigentlich entsteht, welche Gruppen entlang globaler Wertschöpfungsketten Innovation für sich beanspruchen, welche grundsätzlichen Mechanismen dahinterstecken und wie viel Innovationspotenzial – und das ist ein Problem – durch bestimmte Mechanismen schlicht auf der Strecke bleibt. Unser Modell am Beispiel der globalen IT-Industrie ist grundsätzlich auf alle Innovationskontexte übertragbar. Es liefert Unternehmen also konkrete Richtlinien und Kriterien, um Innovation entlang ihrer globalen Wertschöpfungsketten zu fördern“, so Jasmin Mahadevan, die im Bachelorstudiengang „Wirtschaftsingenieurwesen/ International“ lehrt und forscht.
Wann, wie und von wem wird Innovation verdeckt, von wem wird sie zu Unrecht beansprucht, und wer oder was verhindert sie in globalen Wertschöpfungsketten? Das sind die Kernfragen, auf denen das internationale Forschungsprojekt Antworten findet.
Die Ergebnisse des internationalen Forschungs-Quartetts wurden jüngst im Journal of Business Research veröffentlicht. „Wir zeigen auf, dass die Annahme, manche Länder – in unserem Beispiel Indien – seien wenig oder weniger innovativ, schlicht falsch ist“, so die Professorin für internationales und interkulturelles Management. Vielmehr stehen dahinter etablierte Strukturen und Praktiken der globalen IT-Industrie. Nicht selten beanspruche zum Beispiel derjenige Geschäftsbereich, der am Ende der globalen Wertschöpfungskette und im unmittelbaren Kundenkontakt stehe, Innovationen zu Unrecht allein für sich. Außerdem würden Mitarbeitende an Niedriglohn-Standorten wie Indien schlichtweg nicht dazu motiviert, innovativ zu agieren. „Sie werden also manchmal aktiv am ‚Weiterdenken‘ gehindert“, so Jasmin Mahadevan. Außerdem neigten alle Beteiligten dazu, sich erlernten neokolonialen Mustern anzupassen. „Vereinfacht gesagt: Am indischen Standort wird der eigenen Meinung zu wenig vertraut und zu wenig Widerspruch geleistet, und in der ausländischen Zentrale wird die vermeintliche eigene Überlegenheit zu wenig infrage gestellt und werden andere Meinungen zu wenig toleriert.“ Erforderlich sei also ein Umdenken auf beiden Seiten.
Ausgangspunkt der Forschung war für Jasmin Mahadevan auch ihre eigene Berufstätigkeit in der globalen IT-Industrie und ihre Beratungstätigkeit für technische Unternehmen. „Für mich ergab sich daraus die Frage: Wie kann es sein, dass Innovation an allen Ecken der Wertschöpfungskette stattfindet oder stattfinden könnte, sich aber nicht über einzelne Standorte oder Organisationseinheiten transferieren lässt?“
Die im Rahmen des Forschungsprojekts erarbeitete Handlungsempfehlung fasst drei wesentliche Einflussfaktoren zu einem Innovations-Verhinderungs- bzw. Verschleierungs-Muster in der globalen IT-Industrie zusammen: a) Innovation fälschlicherweise für sich beanspruchen, b) Innovation durch dominante Organisationsstrukturen in multinationalen Unternehmen verhindern, c) das Institutionalisieren dieser Verschleierungs- und Verhinderungsprozesse als gängige Geschäftspraktiken innerhalb multinationaler Unternehmen. „Das Modell ist auch unabhängig von der IT-Industrie auf alle globale Wertschöpfungsketten übertragbar und eignet sich daher auch als Praxisbeispiel für die Lehre und die spätere Tätigkeit unserer Studierenden in der Industrie“, so Jasmin Mahadevan. „Auch für die Praxis ergeben sich hieraus klare Leitlinien für das Fördern von Innovativität und Innovation.“