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Nahostkonflikt: „Von Frieden kann noch lange nicht die Rede sein“

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Richard C. Schneider gab im Studium Generale tiefgehende Einblicke in Nahostkonflikt

Das Studium Generale in hybrider Form: Prof. Dr. Frauke Sander (links) sowie Prof. Dr. Nadine Walter (rechts) begrüßten den Nahost-Experten Richard C. Schneider im Audimax, während dieser live zugeschaltet war. Foto: Cornelia Kamper / Hochschule Pforzheim.

Im Rahmen des „Studium Generale“ an der Hochschule Pforzheim hielt der renommierte Nahost-Experte Richard C. Schneider einen eindrucksvollen Vortrag über die dramatische Eskalation im Nahen Osten und die (vorerst) vergebliche Hoffnung auf Frieden. Im gut besetzten Audimax erläuterte Schneider, der online zugeschaltet war, die komplexen geopolitischen Zusammenhänge des Konflikts, dessen Ursachen weit über die aktuellen militärischen Auseinandersetzungen hinausreichen.

„Von Frieden kann noch lange nicht die Rede sein und ich weiß nicht, ob jemals wirklich die Rede von Frieden sein wird“, betonte der Experte in seiner Analyse der gegenwärtigen Situation und nahm dabei Bezug zum aktuellen Waffenstillstand zwischen der Hisbollah und Israel. Der Konflikt, ausgelöst durch die dramatischen Ereignisse vom 7. Oktober 2023, hat die Region erneut in einen Zustand der Gewalt gestürzt, der in der internationalen Gemeinschaft große Besorgnis auslöst. Auch wenn weltweit von einem Waffenstillstand und von Hoffnungen auf eine diplomatische Lösung gesprochen wird, bleibt die Realität des Nahen Ostens aus Sicht von Schneider düster. Er warnte vor einer Fortsetzung der Gewaltspirale: „Wenn wir Pech haben, fängt derselbe Teufelskreislauf wie zuvor an – der Krieg ist vorbei, Waffenstillstand, Wiederaufbau, dann erneute Aufrüstung und irgendwann explodiert das wieder und es kommt der nächste Krieg“. Die politische Lage sei nach wie vor instabil, und eine langfristige Lösung sei aktuell nicht in Sicht.


Ein zentrales Thema seines Vortrags war zum einen die ideologische Grundlage der Hamas, deren Ursprung in der Muslimbruderschaft liegt und deren antisemitische Ausrichtung zu den gewaltsamen Konflikten beigetragen hätten. „Es geht nicht nur um die Idee, zwischen Mittelmeer und Jordanien einen Staat auf der Basis der Scharia zu errichten, sondern auch um die Vernichtung der Juden“, erklärte Schneider. Diese Ideologie des Juden als Feindbild sei tief verwurzelt und treibe die Gewalttaten voran. Die jüngsten Angriffe und die Geiselnahmen vom 7. Oktober – bei denen über 1.200 israelische Zivilisten getötet und rund 250 entführt wurden – haben das Vertrauen in die israelischen Sicherheitsstrukturen erschüttert. „Der größte Teil der Israelis will die Regierung abschaffen“, so Schneider, der den politischen Zerfall Israels und den Vertrauensverlust in die Staatsführung als einen entscheidenden Faktor für die weitere Eskalation betrachtete. „Das, was im Oktober passiert ist, ist das größte Massaker an Juden seit dem Holocaust 1945 – dabei wurde der Staat Israel gegründet, um Juden vor solchen Angriffen zu schützen und das ist ein Desaster für Netanjahu“, erklärte der Experte dem gebannten Publikum. 

 

Die politische Situation in Israel ist gespalten und die Forderungen nach einem Ende der Gewalt werden immer lauter. Doch die Chancen auf eine Zweistaatenlösung, wie sie von der internationalen Gemeinschaft immer wieder gefordert wird, erscheinen angesichts der tiefen ideologischen Kluft auf beiden Seiten zunehmend unrealistisch, so Schneider: „Einerseits die palästinensische Gesellschaft, die sieht was in Gaza passiert – dort wird es keine Mehrheit geben, die sich mit den Israelis zusammensetzen will und sagt: Lasst uns Frieden machen“. Auch auf israelischer Seite sähe es nicht besser aus: „Die jungen Menschen auf beiden Seiten kennen nicht mehr die Menschen, mit denen man auch Kaffee getrunken, gegessen hat oder gemeinsame Interessen hatte – sie kennen nur noch Siedler, Soldaten oder Terroristen.“ 
 

Daher warnte Schneider vor einer zunehmenden Radikalisierung. „Feindbilder auf beiden Seiten werden durch das Fehlen von echten Kontakten weiter verfestigt. Die Gefahr der Radikalisierung wächst, das macht mir wirklich Sorgen“, sagte er. Für ihn steht fest: Der Konflikt zwischen Israel und Palästina ist kein Problem, das sich in absehbarer Zeit lösen lässt: Wenn ich mir im Moment die politischen Akteure auf beiden Seiten anschaue, wüsste ich nicht wo die Figuren sind, die es braucht, wenn man echte Veränderungen will.“
 

Premierminister Benjamin Netanjahu, dessen politisches Überleben zunehmend von persönlichen und ideologischen Faktoren abhängt, hätte in der jüngsten Vergangenheit wiederholt betont, dass Israel jederzeit bereit ist, für die Sicherheit des jüdischen Volkes zu kämpfen. Schneider stellte jedoch infrage, ob diese Haltung in der aktuellen Situation noch tragfähig sei: „Warum will dieser Mann wirklich an der Macht bleiben? Es gibt einen laufenden Prozess wegen mutmaßlicher Korruption in drei Fällen. Bei einer Verurteilung droht ihm Gefängnis und das ist für ihn der größte Antrieb!“ 

Richard C. Schneider referierte per Videoübertragung und konnte somit auch die neugierigen Fragen des Publikums im Nachgang beantworten. Foto: Cornelia Kamper

Abschließend ging Schneider auf die Fragen des Publikums ein – unter anderem auf die nach den palästinensischen Opfern des Konflikts. Als Journalist, der zahlreiche Krisenherde selbst vor Ort erlebt hat, betonte er: „Wenn man als Journalist vor Ort ist, spielt es keine Rolle, welcher Nationalität oder Glaubenszugehörigkeit ein Opfer angehört. Wenn man getötete Kinder oder Familien sieht, verliert das alles an Bedeutung.“ In diesen Momenten, so Schneider, könne man sich nicht mehr auf politische Kategorien stützen – der Mensch stehe im Vordergrund. Seine Worte gingen über die persönliche Ebene hinaus und trafen einen Kernpunkt seiner gesamten Analyse: „Wenn wir nicht mehr in der Lage sind, das Leid sowohl auf der einen als auch der anderen Seite zu verstehen, dann verlieren wir unsere Menschlichkeit.“ In einer Welt, die zunehmend von Polarisierung und Feindbildern geprägt ist, rief Schneider dazu auf, sich über politische und ideologische Grenzen hinweg auf das Gemeinsame zu besinnen.