Professor Dr.-Ing. Roland Scherr: Abschied nach 30 Jahren Campus
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„Bleiben Sie wissbegierig und offen für neue Entwicklungen!“
Professor Dr.-Ing. Roland Scherr, einer der Gründungsdekane der Pforzheimer Fakultät für Technik und ehemaliger Prorektor der Hochschule, hatte sich maßgeblich um den Aufbau des Fachbereichs Maschinenbau verdient gemacht. Zum Ende des Wintersemesters 2019/2020 verabschiedete er sich nach 30 Jahren aus Hochschulpolitik, Forschung und Lehre.
Sie zählen zu den Mitbegründern der Fakultät für Technik. Von 1992 bis 1995 waren Sie einer von drei Prorektoren der Fusionierten Hochschule Pforzheim. Wie haben Sie diese ersten Jahre auf dem Pforzheimer Campus in Erinnerung?
Diese Gründungsphase war überaus ereignisreich und spannend, da nahezu täglich weitreichende Entscheidungen getroffen, Erfolge gefeiert und Rückschläge verkraftet wurden. Die notwendige Planung der Studiengänge, des Curriculums sowie Neubaus konnte bis 1995 erfolgreich abgeschlossen werden. Die ersten Vorlesungen fanden noch in den Räumlichkeiten der Kollegen aus der Wirtschaft statt. Auch die Pforzheimer Firma Witzenmann beherbergte uns Techniker anfänglich in ihrem Unternehmen. Schließlich konnten wir aber am 6. Juli 1996 unser T1-Gebäude offiziell eröffnen. Die Ausstattung des Gebäudes, seine Klimatisierung sowie der Aufbau einer Rechnerinfrastruktur waren herausfordernde Aufgaben – damals waren wir vom heutigen Standard mit Rechnern in jedem Raum noch sehr weit entfernt.
Was war die größte Herausforderung im Rahmen Ihrer Amtszeit?
Für den Aufbau technischer Studiengänge in einer Phase wirtschaftlicher Krisen, besonders im Automobilsektor, die notwendigen Mittel von Bund und Land zu bekommen, war äußerst schwierig. Aus heutiger Sicht war die Investition in die Technik, also der antizyklische Ausbau technischer Studiengänge, aber genau der richtige Weg, um die 1996 wieder anziehende Konjunktur mit gut ausgebildeten Ingenieuren stützen zu können.
Wie hat sich das Lehren innerhalb der vergangenen Jahre für Sie verändert?
Die mit dem Start des Maschinenbaustudiums eingeführte Projektarbeit, die jedes Semester stattfindet, hat sich als ein Markenzeichen etabliert, welches bis heute seine Wirkung zeigt. Die schon damals geplante interdisziplinäre Zusammenarbeit mit den Bereichen Wirtschaft und Gestaltung ist heute das erklärte Ziel der Hochschule.
Im Bereich der Rechnergestützten Produktentwicklung, den ich im Maschinenbau vertreten habe, hat die Computerisierung zwischenzeitlich Möglichkeiten eröffnet, die in den Anfängen noch nicht absehbar waren. 1996 hatten wir gerade einmal fünf Workstations für die Lehre, heute stehen über 100 leistungsfähige Entwicklungsarbeitsplätze zur Verfügung. Die vorwiegend theoretische Stoffvermittlung wurde nach und nach durch praktische Arbeit am Rechner ergänzt und teilweise sogar ersetzt.
Die Organisation der Lehrveranstaltungen erfolgt heute weitestgehend durch Lernplattformen mit deren Hilfe Termine, Skripte und Zwischentests organisiert werden. Die klassische Vorlesung wird durch Gruppenarbeiten und individuelle Stofferarbeitung ergänzt.
Wo sehen Sie die Hochschule Pforzheim in zehn Jahren?
Die Hochschule wird sich den äußeren Gegebenheiten anpassen müssen und die Digitalisierung als Chance nutzen. Einen weiteren Ausbau der bestehenden Studienrichtungen sehe ich eher nicht. Ich würde es mir wünschen, dass zusätzliche Fachrichtungen ihren Platz an der Hochschule Pforzheim finden und das interdisziplinäre Arbeiten noch mehr Raum bekommt.
Die Lehre von Grundlagenfächern wird künftig zunehmend durch Online-Kurse übernommen werden. Schon heute nutzen Studierende Online-Angebote wie z.B. Videokanäle, um nicht verstandene Vorlesungsinhalte nachzubereiten. Die Lehrenden werden dann im zweiten Schritt, bei der Vermittlung von vertiefendem Wissen, gefragt sein. Der Anwendungsbezug wird noch stärker im Rahmen von Gruppenarbeit erfahrbar werden. Durch diese Entwicklung hin zur Interaktion innerhalb der Lehre wird die Eigenverantwortung des einzelnen Studierenden wieder mehr an Bedeutung gewinnen.
Von 1994-2020 waren Sie als CAD-Beauftragter im Arbeitskreis der Fachhochschulen in Baden-Württemberg aktiv. Was zählte hier zu Ihren Aufgaben?
Der Einsatz von CAE-Systemen an Hochschulen ist eine kosten- und personalintensive Aufgabe. Wenn hier jede Hochschule ihren eigenen Weg gehen würde, wären wir sicher nicht in der Lage, eine adäquate Ausstattung und Betreuung zur Verfügung zu stellen. Durch den Arbeitskreis konnten wir innerhalb der vergangenen 20 Jahre die Kräfte aller Fachhochschulen des Landes hinsichtlich der Entwicklung und des Ausbaus der Hard- und Software-Versorgung bündeln. Durch die gemeinsame Anstrengung aller CAD-Beauftragten konnte erreicht werden, dass uns die Software für die CAD-, CAE- und PDM-Systeme zu minimalen und tragbaren Kosten zur Verfügung gestellt wurden. Der Arbeitskreis beschafft mit Unterstützung durch das Land Baden-Württemberg alle fünf Jahre neue Hardware. Zahlreiche Workshops und Schulungen der Professoren und Mitarbeiter durch Mitglieder des Arbeitskreises ermöglichen darüber hinaus eine stetige kostengünstige Weiterbildung.
Was werden Sie am Ende Ihrer Hochschulzeit am meisten vermissen?
Die Arbeit mit jungen Menschen. Für mich war dieser Aspekt ganz ausschlaggebend für die Entscheidung, den Beruf des Professors anzustreben. Der Dialog mit den Studierenden hält jung und aktiv. Übrigens: Als geborener Pforzheimer, aufgewachsen mit dem Blick auf den Hochschul-Hügel, war für mich schon sehr früh klar, dass ich irgendwann nicht irgendwo, sondern in Pforzheim lehren wollte. Außerdem konnte ich hier auch über die Lehre und Forschung hinaus Entscheidungen treffen und Verantwortung übernehmen – ich war Treibender und nicht getrieben, weswegen ich ein Vierteljahrhundert gerne auf diesem Campus zugebracht habe.
Was möchten Sie unseren Studierenden mit auf den Weg geben?
Bleiben Sie wissbegierig und offen für neue Entwicklungen.
Würden Sie sich auch heute noch für das Maschinenbaustudium entscheiden?
Maschinenbau ist und bleibt für mich ein ideales Studium. Als Maschinenbau-Ingenieur hat man eine solide Basis, um die Welt zu bewegen. Es ist ein anspruchsvolles Studium, bei dem man geistig fit bleibt, greifbare Erfolge erzielen kann und große Befriedigung erfährt. Die heutige Klimadebatte oder Digitalisierung ist dabei kein Hindernis, sondern eine Chance für den Maschinenbau.