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„Verbraucher können die Qualität von Lebensmitteln schlichtweg nicht erkennen“

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Verbraucherschützer Thilo Bode zu Gast an der Hochschule Pforzheim

Rektor Ulrich Jautz freute sich gemeinsam mit den Professorinnen Frauke Sander und Nadine Walter (v.l.n.r.), dass sie Thilo Bode als Redner fürs Studium Generale gewinnen konnten. Fotos: Cornelia Kamper

In einem eindrucksreichen Vortrag über Verbraucherrechte in der Lebensmittelindustrie hat der Foodwatch-Gründer Thilo Bode das Publikum im Studium Generale aufgeklärt. Im vollgefüllten Audimax der Hochschule Pforzheim berichtete er über gravierende Defizite im aktuellen Lebensmittelrecht und der Irreführung von Verbraucher*innen. Er unterstrich die dringende Notwendigkeit, gesetzliche Regelungen zu verschärfen und die Verbraucher*innen vor unzureichender Information und versteckten Gefahren zu schützen.

„Wer von Ihnen glaubt, dass es für Verbraucher*innen schwierig ist, zu erkennen wie gut die Qualität von Lebensmitteln ist?“, fragte Bode zu Beginn seines Vortrags und nickte zustimmend, als dreiviertel des Saals Handmeldung gab. Anhand eines Orangensaftes verwies er auf die unzureichenden und oft irreführenden Kennzeichnungen auf vielen Lebensmittelprodukten. Auf dem Etikett waren unter anderen Bezeichnungen wie „Unterstützt ein ausgewogenes Abwehrsystem“ oder „Erntefrisch gepresst“ zu finden, zudem die Herkunftsbezeichnung „Von unserem langjährigen Partner in Sizilien“, was Käufer*innen in die Irre führe. Das Produkt enthält beispielsweise neun Gramm Zucker – und somit u.a. ein falsches Gesundheitsversprechen, das so nicht haltbar sei.

Bode betonte die Diskrepanz zwischen den bestehenden Gesetzen und den tatsächlichen Interessen der Verbraucher*innen: „Das ist alles kommerziell ausgerichtet. Es fehlt nicht an Gesetzen, sondern an den richtigen Gesetzen und effektiven Kontrollen!“, erklärte er. Er kritisierte, dass die wahren Qualitätsmerkmale von Lebensmitteln häufig unklar blieben und die Verordnungen nur auf EU-Ebene beschlossen werden. Einige Beispiele nannte der erfahrene Aktivist im Laufe des Abends: Heumilch komme von Kühen die trotzdem mit Kraftfutter zugefüttert werden, der Preis von Olivenöl zeuge nicht von Qualität, sondern wird durch Umlaufgeschwindigkeit und Rendite kalkuliert und das Versprechen „Traditionelle Rezeptur“ bei Backwaren sei kein Indiz für Handarbeit und verhindere nicht, dass undurchsichtige Zusatz-Stoffe eingesetzt werden, die die Kruste besonders lang knusprig halten. „Eine halbe Wahrheit ist eine ganze Lüge – bei der Heumilch steht ja nicht drauf, die Kühe fressen NUR Heu und Gras“, veranschaulichte Bode.

 

Besonders bedenklich sei auch die freiwillige Einführung des Nutri-Scores, der es den Verbrauchern erleichtern sollte versteckte Nährwerte wie Zucker zu erkennen. „Der Nutri-Score ist ein Schritt in die richtige Richtung, aber er müsste verbindlich sein. Das wurde leider gekippt“, so Bode. Dies sei ein Beispiel für die starke Lobbyarbeit der Lebensmittelindustrie, die eine verpflichtende Kennzeichnung immer wieder verhindere. „Die Verbraucher können die Qualität von Produkten schlichtweg nicht unterscheiden.“, sagte der Experte. Auch die weit verbreiteten Zusatzstoffe in Lebensmitteln sind ein Problem. In den letzten Jahren seien über 300 neue Zusatzstoffe hinzugekommen. Besonders besorgniserregend seien auch Pestizidrückstände in Obst und Gemüse oder Mineralrückstände in Lebensmitteln, die sogar in Babynahrung festgestellt werden konnten. „Es gibt keine effektiven Regelungen gegen die Mischung von Pestiziden – die einzelnen Wirkstoffe bleiben zwar unter der erlaubten Grenze aber hier kommt der sogenannte Cocktaileffekt ins Spiel.“, warnte Thilo Bode das Publikum.
 

Ökologische und soziale Verantwortung

Ein wichtiger Punkt auf Bodes Agenda waren falschen Versprechungen im Bereich der Nachhaltigkeit und des Klimaschutzes, insbesondere bei Bio-Produkten. „Bio bedeutet nicht automatisch besser – auch hier sind die Treibhausgasemissionen nicht unbedingt geringer“, so Bode. Der deutsche Tierschutz sei ebenfalls katastrophal: „Tiere müssen schmerzfrei leben können. In der industriellen Landwirtschaft, auch bei Bio, ist das leider nicht der Fall. 80% der Legehennen haben ein gebrochenes Brustbein, da das Calcium, das sie zu sich nehmen, für die erhöhte Eiproduktion gebaucht wird – da hilft es auch nicht, dass die Hennen mehr Auslauf haben“, berichtete der Verbraucherschützer dem gebannten Publikum. Er unterstrich, dass die Preise für Lebensmittel den Konsument*innen keinen Aufschluss über die Qualität geben können: „Teuer ist nicht gleich gut und billig ist nicht gleich schlecht“, hielt er fest und gab die Empfehlung: „Da können Sie genauso gut im Discounter einkaufen, wobei jene wahrscheinlich eine bessere Umweltbilanz vorweisen können“.

Thilo Bode klärte im Studium Generale über die (nicht vorhandenen) Verbraucherrechte rund um Nahrungsmittel auf und gab zahlreiche bildhafte Beispiele.

Politische Handlung und gesetzliche Reformen notwendig

Abschließend forderte Bode eine stärkere politische Regulierung und ein gesetzliches Vorgehen, das den Verbraucherschutz stärkt. „Es muss klare, verbindliche Regeln geben, die den Verbrauchern helfen die Qualität von Lebensmitteln zu erkennen. Und der Staat muss endlich aktiv werden, um den Markt zu kontrollieren.“ Bode plädierte für eine Klagebefugnis für Verbraucherverbände, um gegen Missstände vorzugehen und für stärkere Auskunftsrechte. „Wenn wir Verbraucherschutz als Bürgerschutz definieren, dann müssen auch die Rechte der Verbraucher gestärkt werden“, so das Fazit des Abends. Doch das sei ein langwieriger Weg und keine Aufgabe, die schnell gelöst werden könne. 

Das Studium Generale setzt das Programm am 27. November 2024 ab 19 Uhr fort. Richard C. Schneider wird in seinem Vortrag den Nahostkonflikt thematisieren.