Engineering PF

Vom Studiengang Medizintechnik zum Forschungsprojekt an die US-Universität Harvard

News

Von März bis September 2020 verbringt Zainab Faik, Absolventin des Bachelorstudiengangs „Medizintechnik“ an der Fakultät für Technik der Hochschule Pforzheim, einen Forschungsaufenthalt an der Harvard University in Cambridge, USA.

Pforzheimer Absolventin modelliert neurodegenerative Krankheiten mithilfe von Zebrafischen

 

Bei der traditionellen Absolventenverabschiedung im April 2019 nahm Zainab Faik noch ihr Bachelorzeugnis im Pforzheimer CongressCentrum entgegen – der feierliche Abschluss ihres Medizintechnik-Studiums an der Hochschule Pforzheim. Nur ein Jahr später gehört die 25-Jährige zum Forschungsteam der US-Universität Harvard. Seit März 2020 analysiert die Medizintechnikerin hier Zebrafische mit dem Ziel, neurodegenerative Krankheiten wie Parkinson zu bekämpfen. „80 Prozent der mit menschlichen Erkrankungen verbundenen Risikogene sind in Zebrafischen vorhanden, weshalb sie als optimaler Modellorganismus im Rahmen der Krankheitsforschung gelten", so Zainab Faik, Alumna der Pforzheimer Fakultät für Technik. „Wir richten den Blick vor allen Dingen auf das Gehirn des Zebrafisches. Dieses weist dieselben Hauptunterteilungen auf wie bei Säugetieren. Dank transparenter Larven ist die direkte Visualisierung des Zentralen Nervensystems möglich“, so die Medizintechnikerin. Durch diese Form der Krankheits-Modellierung erlangt das Forschungsteam im amerikanischen Cambridge ein besseres Verständnis der pathologischen Parkinson-Mechanismen im lebenden Organismus: „Dadurch können Lösungen zur Heilung entwickelt werden“, so die Pforzheimer Absolventin.

Von 2016 bis 2019 studierte Zainab Faik Medizintechnik an der Fakultät für Technik der Hochschule Pforzheim.

Bei aller der Wissenschaft dienenden Ähnlichkeit zwischen Mensch und Zebrafisch – Zainab Faik konzentriert sich aktuell auf einen der biologischen Unterschiede, die der Krankheitsforschung im Weg stehen: „Das menschliche Protein α-synuclein liegt im Erbgut des Zebrafisches nicht vor. Bei der Entwicklung der Krankheit spielt dieses aber eine zentrale Rolle“, so die 25-Jährige. Die Übertragung dieses entscheidenden Proteins in das Erbgut des Versuchstieres führe bei diesem innerhalb kürzester Zeit zu schweren Deformitäten und zum Tod. Ziel des Forschungsprojekts ist es, dies zu verhindern: Mithilfe der Cre/lox-Technologie kann ganz gezielt kontrolliert werden, wo und wann das menschliche Gen übertragen wird: „Meine Aufgabe ist es, die Expression des Proteins auf die Neuronen zu beschränken, die bei Parkinson besonders betroffen sind, sodass die tödlichen Folgen verringert werden können, während die pathologischen Mechanismen erhalten bleiben“, so Zainab Faik. Die Cre/lox-Technologie ermöglicht das gezielte Entfernen von DNA-Sequenzen in lebenden Organismen. Mit dieser Technik können beispielsweise einzelne spezifische Zell- oder Gewebearten genetisch modifiziert werden, während andere Gewebe davon unberührt bleiben.

„Ich bin sehr froh und stolz darauf, mein Medizintechnik-Studium an der Hochschule Pforzheim abgeschlossen zu haben. Es war die perfekte Grundlage für meinen jetzigen Forschungsaufenthalt“, so Zainab Faik. Im Harvard-Vorstellungsgespräch hätten besonders Fragen zu ihren Pforzheimern Laborpraktika sowie die Bachelorarbeit am Universitätsklinikum Tübingen den Ausschlag gegeben: „Ich habe mein starkes Interesse und meine Leidenschaft für die medizinische Forschung gezeigt. Zusätzlich umfasst mein Wissen die technischen Aspekte der Medizin, die besonders in den Neurowissenschaften sehr relevant sind - z. B. die Bildgebung.“

Der Bachelorstudiengang „Medizintechnik“ wurde in enger Abstimmung mit Medizintechnik-Unternehmen der Region konzipiert und ging im Wintersemester 2012/2013 an den Start. „Dass wir neben den ingenieurwissenschaftlichen Inhalten den molekularen Aspekt der Medizintechnik in den Fokus rücken, unterscheidet unseren Studiengang von vielen anderen medizintechnischen Studiengängen. Dieses Pforzheimer Alleinstellungsmerkmal bereitet unsere Studierenden in enger Abstimmung mit wissenschaftlichen Erkenntnissen sowie den Anforderungen des Marktes optimal auf ihre berufliche Zukunft vor“, so Tobias Preckel, Medizintechnik-Professor an der Fakultät für Technik. Tobias Preckel, der Frau Faik in ihrer Bachelorarbeit betreute, ist zugleich Leiter des im April 2019 neu eingeweihten Analytiklabors: Für die Medizintechnik-Studierenden macht das Raumangebot biochemische Analytik und molekulare Diagnostik auf 123 Quadratmetern erlebbar und begreifbar. Verwendete Geräte und Chemikalien spiegeln Teile der Grundausstattung sowie die Vorgehensweise in einem biochemischen Forschungslabor wider.

Zainab Faiks Forschungsaufenthalt erfolgt im Rahmen einer Praxisphase ihres aktuellen Masterstudiums „Molekulare Biotechnologie“ an der Universität Heidelberg. „Nach meinem Masterabschluss würde ich gerne promovieren. Die Neurowissenschaft zieht mich deshalb so sehr an, weil in diesem Bereich noch sehr viele Fragen offenstehen und es im Vergleich zur Onkologie sehr wenige bzw. keine Therapien für neurodegenerative Erkrankungen, wie Parkinson oder Alzheimer, gibt. Daher bin ich sehr motiviert, dabei zu helfen, diesen Menschen die Hoffnung auf ein gesundes Leben zu geben“, so die Medizintechnikerin.

Im Laufe ihres Harvard-Aufenthalts hat sich für Zainab Faik die Mitarbeit an einem weiteren Forschungsprojekt ergeben. „Hier liegt der Fokus auf der Informatik, genauer auf der Bildsegmentierung und -verarbeitung", so die 25-Jährige. Ziel der Forschungsarbeit, die in Kooperation mit Google erfolgt, ist es, ein viel detaillierteres Bild der neuronalen Anatomie des Zebrafisches zu liefern. Mittels Elektronenmikroskopie werden die Morphologien aller Neuronen und Zellen mit einer Auflösung rekonstruiert, die ausreicht, um die Verbindungen zwischen Neuronen sichtbar zu machen. „Da im Zebrafischhirn ca. 50 Mio. Synapsen vorliegen, wäre dies manuell kaum machbar. Daher werden im Rahmen dieses Projektes Bildverarbeitungsalgorithmen für maschinelles Lernen mit Hilfe von sog. ground truth trainiert, die 3D-Rekonstruktion auszuführen. Man sieht hier deutlich, dass die technischen Aspekte der Medizin auch im Bereich der Biowissenschaften nicht wegzudenken sind", so die Pforzheimer Absolventin.